Et in Arcadia ego...

Et in Arcadia ego ist eine lateinische Phrase. Sie bedeutet auf deutsch "Auch in Arkadien (bin) ich" und findet sich in zwei Gemälden des französischen Malers Nicolas Poussin mit dem Namen Die Hirten von Arkadien.

   

Inhaltsverzeichnis

Ursprung

Die erste Erwähnung eines Grabmals mit einer Inschrift (hier für Daphnis) vor einem idyllischen Hintergrund findet sich in Vergils Eclogae (V, 42 ff.):

et tumulum facite, et tumulo superaddite carmen:
Daphnis ego in silvis, hinc usque ad sidera notus,
formosi pecoris custos, formosior ipse.

Vergil versetzte das von Theokritos in den sogenannten Eidyllia idealisierte sizilianische Bauerntum in die griechische Landschaft Arkadien. In der Renaissance wurde die Thematik wieder von Lorenzo de’ Medici aufgenommen. Der italienische Dichter Jacopo Sannazaro festigte 1504 in seiner bukolischen Dichtung Arcadia das Bild der Neuzeit von Arkadien als einem Idyll, auf das er mit Sehnsucht zurückblickt, ebenso der englische Schriftsteller Philip Sidney in der Romanze The Countess of Pembroke's Arcadia.

Die griechische Landschaft Arkadien war so in der Renaissance und im Barock zum Symbol für das Goldene Zeitalter geworden, in dem die Menschen als glückliche Hirten lebten. Die Inschrift Et in Arcadia ego selbst wurde zum ersten Mal vom italienischen Barockmaler Giovanni Francesco Barbieri, gen. Guercino in seinem gleichnamigen Gemälde verwendet. Dort steht sie auf einer Steinplatte geschrieben, auf der ein Totenkopf liegt. Die Worte sind somit ein Ausspruch des Todes und von der Art des Memento Mori („Bedenke, dass du sterben musst“): sie mahnen die beiden Hirtenjungen inmitten dieses Idylls an den Tod, der eben auch Arkadien nicht verschont.

Die Hirten von Arkadien

Der französische Maler Nicolas Poussin malte von 1630 bis 1640 zwei dem Barbieris ähnliche Bilder mit dem Titel Die Hirten von Arkadien. Das erste, das um 1630 entstand, zeigt drei Hirten und eine Schäferin, die unerwartet auf die Inschrift an einem Sarkophag gestoßen sind. Sie wirken aufgewühlt und bestürzt, anders als im geometrisch aufgebauten zweiten Bild, in welchem sie elegisch und von barockem Lebensgefühl beseelt die Inschrift betrachten.

Mimesis

In der antiken Diskussion um Platons Ablehnung der Mimesis waren schriftliche Sätze in der ersten Person Singular besonders problematisch, weil sie nicht wahr sein können, denn der Leser ist nicht der Autor. Das gelesene "Ich" ist eine Lüge, wenn es nicht für alle zutrifft, die lesen können. Und diese Gemeinsamkeit ist dem klassischen Beispiel für den Syllogismus gemäß der Tod. Er wird dem Leser beim Lesen als das einzige Verbindende bewusst.

Interpretation

Im Satz fehlt die Kopula esse (=sein), was im Lateinischen möglich ist, aber zu unterschiedlichen Interpretationen führt. Die Wandlung des Motivs hatte auch eine Interpretationswandlung der Inschrift zur Folge. Et in Arcadia ego wurde nicht mehr auf den Tod, sondern auf den Verfasser des Epigraphen bezogen; so trat an die Stelle von „Selbst in Arkadien gibt es mich“ oder „Auch in Arkadien bin ich“ die Deutung "Auch ich war in Arkadien." Diese Übersetzung wird durch das zweite Bild Poussins nahegelegt, ist aber nur schwer mit der Grammatik des Lateinischen vereinbar, stellt jedoch (auch aufgrund des Bezuges zur V. Ekloge) das gängige Verständnis des Zitats dar. In dieser Interpretation erinnert das Epitaph daran, dass jeder Mensch in Arkadien geboren wird, so auch der in dem Grabmal auf Poussins Gemälde Bestattete.

 
Giovanni Francesco Barbieri, Et in Arcadia ego (1616-1620)
 
Giovanni Francesco Barbieri, Et in Arcadia ego
(1616-1620)
 
 
Nicolas Poussin, Die Hirten von Arkadien II. (1638-1640)
 

Nicolas Poussin, Die Hirten von Arkadien II. (1638-1640)

 
Relief der Shugborough Hall in der Nähe von Stafford
 

Relief der Shugborough Hall in der Nähe von Stafford

 
 Et in Arcadia Ego, 1. Fassung, Devonshire Collection, Chatsworth
 

Et in Arcadia Ego, 1. Fassung, Devonshire Collection, Chatsworth

      Neue Interpretationen haben Brandt und Becht-Jördens/Wehmeier vorgelegt. Nach Brandt handelt es sich bei der Mädchenfigur rechts vorne um die Allegorie der Pittura bzw., so nunmehr 2006, um Daphne-Laura, d.h. den Ruhm der Malkunst. Die Hirten hätten mit der Entdeckung des eigenen Bildes im Schattenriss zugleich das Grundprinzip der Malkunst, die Mimesis entdeckt. Das entspricht antiker Überlieferung bei Plinius, Naturalis historia, Buch 35, 16, 5. Der Sinn sei, dass auch die Malkunst, die bislang als Handwerk angesehen wurde und nicht unter den neun Musen vertreten ist, ihre Präsenz in Arkadien geltend mache und einen gleichrangigen Platz unter den Künsten beanpruche.

Die Umdeutung der lateinischen Inschrift („Auch ich war/bin in Arkadien“) ergebe sich aus der neuen Zuordnung der Aussage zu Pittura. Sie sei entgegen Panofskys Einschätzung grammatisch durchaus möglich und daher bereits von Poussin intendiert .

Becht-Jördens und Wehmeier übernehmen die Deutung der Mädchenfigur als Pittura, weisen aber die Umdeutung des lateinischen Ausspruch als grammatisch kaum vertretbar und nicht der Intention Poussins entsprechend zurück. Vielmehr beziehe sich Pittura auf die ursprüngliche Aussage des Todes (nicht, wie Brandt plausibel zu machen sucht, des Toten!) und begründe mit dieser ihr eigenes Amt: Weil der Tod selbst in Arkadien herrscht, seine Herrschaft also keine Grenzen kennt, bedarf es überall da, wo der Tod am Werk ist, auch der Kunst und des Trostes, den sie aufgrund ihrer Befähigung zur Repräsentanz des Abwesenden gewährt. Sie gestattet so die imaginäre Begegnung mit anderen Menschen über räumliche und zeitliche Grenzen hinweg, und sie erlaubt auch die kommunikative Auseinandersetzung mit dem leidvollen Thema der Sterblichkeit und auch des eigenen Todes bei gleichzeitiger Wahrung der notwendigen Pathoskontrolle. Sie macht die Sterblichkeit als gemeinsames Schicksal aller Menschen erfahrbar, dem diese aber nicht hilflos ausgeliefert sind. So setzt sie erst den Menschen in den Stand, im Angesicht des Todes leben zu können, ohne in Panik oder Depression zu verfallen.

Die deutsche Übersetzung des Satzes wurde von Goethe in seiner „Italienischen Reise“ als Motto voran gestellt, erhielt aber ihre heutige Popularität zumeist durch Friedrich Schillers Gedicht „Resignation“, das mit den Worten beginnt: „Auch ich war in Arkadien geboren“.

Literatur

  • Gereon Becht-Jördens, Peter M. Wehmeier: Picasso und die christliche Ikonographie. Reimer, Berlin 2003, ISBN 3-496-01272-2, S. 181–209
  • Reinhard Brandt: Arkadien in Kunst, Philosophie und Dichtung. (= Quellen zur Kunst; Bd. 25). 3. Auflage. Rombach, Freiburg im Breisgau und Berlin 2006, ISBN 3-7930-9440-5
  • Reinhard Brandt: Nicolas Poussin. Et in Arcadia Ego. In: Brandt: Philosophie in Bildern. Von Giorgione bis Magritte. 2. Auflage. DuMont, Köln 2001, ISBN 3-7701-5293-X, S. 265–282
  • Erwin Panofsky: Et in Arcadia ego. Poussin und die Tradition des Elegischen. Hrsg. v. Volker Breidecker. Friedenauer Presse, Berlin 2002, ISBN 3-932109-28-7
  • Louis Marin: Zu einer Theorie des Lesens in den bildenden Künsten: Poussins Arkadische Hirten. In: Wolfgang Kemp (Hrsg.): Der Betrachter ist im Bild. Kunstwissenschaft und Rezeptionsästhetik. DuMont, Köln 1985, ISBN 3-7701-1720-4, S. 110–146
  • Genevieve Warwick: Commemorating Poussin. Reception and Interpretation of the Artist. Cambridge University Press, Cambridge 1999, ISBN 0-52164004-0

Quellen

  1. P. VERGILI MARONIS ECLOGA QVINTA
  2. "Die elegische Wandlung des arkadischen Motivs und das Ende der Schäferei"
  3. Erwin Panofsky: Et in Arcadia ego. Friedenauer Presse, Berlin 2002, ISBN 3-932109-28-7
  4. Reinhard Brandt Philosophie in Bildern, Köln 2. Aufl. 2001, S. 265-282 ISBN 3-7701-5293-x
  5. Gereon Becht-Jördens, Peter M. Wehmeier, Picasso und die christliche Ikonographie. Mutterbeziehung und künstlerische Position, Berlin 2003, S. 181-209 ISBN 3-496-01272-2

 

Quelle: Artikel Et in Arcadia ego aus der freien Enzyklopädie Wikipedia mit dieser Versionsgeschichte
Lizenz: GFDL
Inhalt abgleichen